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Ich trage meinen Tod in mir

Ja, ich trage meinem Tod in mir.

Und schon höre ich Eure zahlreichen Stimmen in mir, die mir entgegnen, dies sei doch nichts Besonderes, denn schließlich trügen wir ja alle den Tod, unseren Tod in uns.

Da merke ich, dass ich mich ungenau ausgedrückt habe. Also will ich es noch einmal versuchen und diesmal genauer sein: Ich weiß, dass ich meinen Tod in mir trage. Noch genauer: Ich weiß seit dem Alter von 10 oder 11 Jahren, dass ich den Tod in mir trage. Meinen Tod; das Ende meines Lebens, so wie ich das Leben kenne.

Ich trage meinen Tod in mir …
Ist das nicht höchst depressiv?

Das war zumindest die Vermutung der Verwandtschaft, die meine Kinderfragen zu Leben und Tod nicht beantworten konnte. Oder nicht beantworten wollte. Nicht einmal zuhören wollte. Die von mir so geliebte Verwandtschaft wollte meine Fragen nicht einmal zur Kenntnis nehmen.

Allerdings muss ich meinen älteren Verwandten und den Bekannten meiner Eltern zugutehalten, dass ich zwar meine drängenden Fragen hatte, sie selbst aber noch nicht erklären oder verständlich machen konnte. Überhaupt konnte ich mich nicht erklären. Ich war zu jung, zu unerfahren, ungeschickt, geschockt.

Wahrscheinlich hatten sie viel zu große Angst vor meinen Fragen. Den Fragen eines Kindes! „Ist das dann weniger depressiv?“, frage ich mich.

Sicher, ich lebte in unverarbeiteter Trauer über den für mich unerwarteten, viel zu frühen Tod meines Vaters. Und meine existentiellen Fragen prasselten viel zu schnell und viel zu früh auf das Kind, das ich war, ein.

Mein Vater war plötzlich und unerwartet einfach fort – einfach weg. Und ich ahnte, dass auch alle anderen mir nahe stehenden Menschen und nicht zuletzt ich selbst ja auch, eines Tages einfach fort, einfach weg zu sein.

Der eine Tod meines Vaters war eine Qual für mich. Um wie viel größer wird die Qual wohl sein, wenn ich selbst eines Tages einfach fort bin und dann alle anderen geliebten Menschen vermissen muss?

Meine erste Lebens-Orientierung:
Ich trage meinen Tod in mir!

So verging der zweite Teil meiner Kindheit, meine Jugend und der erste Teil meines erwachsenen Lebens im Bewusstsein: Ich trage meinen Tod in mir. Das war meine Lebensorientierung.

Das war auch im Alter von 20 bis 22 Jahren der Beginn meines eigenen Philosophierens. Mit Fragen übrigens, die, obwohl ich mich natürlich weiterentwickelt habe, bis heute nichts an ihrer Brisanz verloren haben.

Sehr spät, ich weiß gar nicht mehr wann, vielleicht erst im Alter um die 40 Jahre, fand ich denn meine zweite Lebensorientierung.

Meine zweite Lebens-Orientierung:
Ich trage mein Leben in mir!

Irgendwann hatte ich Sturkopf wohl kapiert, dass ich trotz aller Mühsal und auch aller Umwege über die bilden Künste und auch die esoterischen Lehren nichts Ordentliches über den Tod in Erfahrung bringen würde. Die Religionen konnten mir auch keinen rechten und zunehmend weniger Trost bieten.

Ich erinnere mich noch an den Moment, als ich spät nachts mal wieder schreibend und kritzelnd bei Kerzenlicht an meinem Kreuzberger Schreibtisch saß und den tröstenden und rettenden Einfall erhielt:

Kümmere Dich um das Leben

„Wenn Du über den Tod nichts in Erfahrung bringen kannst, dann kümmere Dich doch um sein ‚Gegenteil‘! Kümmere Dich doch um das, was den Tod erst ermöglicht! Kümmere Dich doch um das Leben!“ Also: Was ist das Leben?

Ich weiß noch und spüre auch noch, wie glücklich ich bei diesem Einfall war. So wollte ich mich also eifrig um das Leben kümmern, um etwas über den Tod zu erfahren.

Ja, in der ersten Zeit meiner neuen, meiner zweiten Lebensorientierung, kümmerte ich mich zunächst nur des Todes wegen um das Leben. Bis dann allmählich die spannenden viel spannenderen Fragen: „Was ist das Leben? – Was ist mein Leben? – Wer und was bin ich?“ meine um den Tod kreisenden Gedanken in den Hintergrund drängten.

Während ich mich nun nicht mehr qualvoll um den Tod sorgte, sondern sehr lustvoll der Erkenntnis des Lebens nachjagte, ahnte ich schon, dass die Erkenntnis des Lebens wohl nicht der Weisheit letzter Schluss sein würde. Denn ich vermutete, dass es da noch etwas Anderes, etwas Höheres (oder Tieferes) gab, was das Leben begründete. Und besonders interessierte mich freilich, da ich den Eindruck, dass es gutes und schlechtes Leben gibt, gewonnen hatte: Was ist die Begründung und die Orientierung eines guten Lebens?

So fand ich durch das Leben dessen Sinn. Und nicht nur den Sinn des Lebens, sondern den Sinn überhaupt.

Meine dritte Lebens-Orientierung:
Der Sinn

Es stimmt mich sehr glücklich, den Sinn von allem, sofern wir Menschen den Sinn überhaupt erkennen können, gefunden zu haben. Nicht aus intellektueller Spielerei, sondern schließlich beinhaltet der allgemeine, alles überragende Sinn ja auch den Sinn meines eigenen Lebens.

Den Sinn gefunden zu haben ist mein großes Glück. Freilich ist das kein allumfassendes Glück – Es gibt schließlich genug Sinnlosigkeiten in der Welt, die mich zur Verzweiflung bringen könnten! Doch den Sinn gefunden zu haben erscheint mir insofern ein großes Glück, als er mir doch eine Orientierung in allen Fragen der Natur und des Lebens sein kann.

Eine sichere Orientierung zu besitzen, scheint mir in zunehmendem Alter für ein angstfreies, glückliches Leben zunehmend bedeutungsvoller und notwendiger zu werden. Und so sehe ich auch, gestärkt durch den Sinn, den kommenden Jahren zuversichtlich entgegen. Und bin gespannt, welche Lebensabenteuer mich erwarten werden.


Mehr über den Sinn und meine Haltung zum Sinn des Lebens erfährst Du auf meiner Website SINNTHERAPIE.


Ich trage meinen Tod in mir
Ich trage meinen Tod in mir

 

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